40 Rechtsstreitigkeiten
Die Volkswagen AG und die Unternehmen, an denen sie unmittelbar oder mittelbar Anteile hält, sind national und international an einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten und behördlichen Verfahren beteiligt. Solche Rechtsstreitigkeiten und Verfahren treten unter anderem im Verhältnis zu oder im Zusammenhang mit Arbeitnehmern, Behörden, Dienstleistungen, Händlern, Investoren, Kunden, Lieferanten, Produkten oder sonstigen Vertragspartnern auf. Für die daran beteiligten Gesellschaften können sich hieraus Zahlungen wie zum Beispiel Bußgelder sowie andere Verpflichtungen und Folgen ergeben. Insbesondere können hohe Schadensersatz- oder Strafschadensersatzzahlungen zu leisten sein und kostenintensive Maßnahmen erforderlich werden. Dabei ist es häufig nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich, die objektiv drohenden Auswirkungen konkret einzuschätzen.
Darüber hinaus können sich Risiken im Zusammenhang mit der Einhaltung von regulatorischen Anforderungen ergeben. Dies gilt insbesondere im Falle von regulatorischen Wertungsspielräumen, bei denen es zu abweichenden Auslegungen durch Volkswagen und die jeweils zuständigen Behörden kommen kann. Des Weiteren können sich aus kriminellen Handlungen Einzelner, die selbst das beste Compliance-Managementsystem niemals vollständig ausschließen kann, Rechtsrisiken ergeben.
Soweit überschaubar und wirtschaftlich sinnvoll, wurden zur Absicherung dieser Risiken in angemessenem Umfang Versicherungen abgeschlossen. Für die erkenn- und bewertbaren Risiken wurden auf Basis des derzeitigen Kenntnisstands angemessen erscheinende Rückstellungen gebildet beziehungsweise Angaben zu Eventualverbindlichkeiten gemacht. Da einige Risiken nicht oder nur begrenzt einschätzbar sind, ist nicht auszuschließen, dass gleichwohl wesentliche Schäden eintreten können, die durch die versicherten beziehungsweise zurückgestellten Beträge nicht gedeckt sind. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Einschätzung zu den Rechtsrisiken aus der Dieselthematik.
Dieselthematik
Am 18. September 2015 veröffentlichte die US-amerikanische Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency, EPA) eine „Notice of Violation“ und gab öffentlich bekannt, dass bei Abgastests an bestimmten Fahrzeugen mit 2.0 l Dieselmotoren des Volkswagen Konzerns in den USA Unregelmäßigkeiten bei Stickoxid (NOx)-Emissionen festgestellt wurden. In diesem Zusammenhang informierte die Volkswagen AG darüber, dass in weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen mit Dieselmotoren des Typs EA 189 auffällige Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt wurden. Am 2. November 2015 gab die EPA mit einer „Notice of Violation“ bekannt, dass auch bei der Software von US-Fahrzeugen mit Dieselmotoren des Typs V6 mit 3.0 l Hubraum Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden.
Es wurden daraufhin in verschiedenen Ländern zahlreiche gerichtliche und behördliche Verfahren eingeleitet. Seitdem ist es uns gelungen, wesentliche Fortschritte zu erzielen und zahlreiche Verfahren zu beenden.
In den USA erzielten die Volkswagen AG und bestimmte verbundene Unternehmen Vergleichsvereinbarungen mit verschiedenen Regierungsbehörden sowie mit diversen Privatklägern, die in einer im US-Bundesstaat Kalifornien anhängigen „Multidistrict Litigation“ durch ein sogenanntes Steuerungskomitee (Plaintiffs‘ Steering Committee) vertreten waren. Mit diesen Vereinbarungen wurden bestimmte zivilrechtliche Ansprüche sowie strafrechtliche Forderungen nach US-amerikanischem Bundesrecht und dem Recht einzelner Bundesstaaten im Zusammenhang mit der Dieselthematik beigelegt. Als Bestandteil der mit dem US-Justizministerium und dem Bundesstaat Kalifornien geschlossenen Vereinbarungen (Plea Agreement und Third Partial Consent Decrees) wurde im Jahr 2017 ein Compliance Monitor und Compliance Auditor bei Volkswagen für eine Dauer von drei Jahren bestellt. Obwohl die Volkswagen AG und ihre Tochtergesellschaften und verbundenen Unternehmen fest zur Erfüllung der sich aus diesen Vereinbarungen ergebenden Verpflichtungen entschlossen sind, ist eine Verletzung dieser Verpflichtungen nicht vollständig auszuschließen. Eine etwaige Verletzung könnte nach Maßgabe der Vereinbarungen erhebliche Strafen nach sich ziehen, sowie gegebenenfalls weitere Geldbußen, strafrechtliche Sanktionen und Unterlassungsverpflichtungen.
Die Dieselthematik hatte ihren Ursprung in einer – nach Rechtsauffassung der Volkswagen AG nur nach US-amerikanischem Recht unzulässigen – Veränderung von Teilen der Software der betreffenden Motorsteuerungseinheiten für das seinerzeit von der Volkswagen AG entwickelte Dieselaggregat EA 189. Die Entscheidung zur Entwicklung und zur Installation dieser Softwarefunktion wurde Ende 2006 unterhalb der Vorstandsebene getroffen. Kein Vorstandsmitglied hatte zu diesem Zeitpunkt und nachfolgend über mehrere Jahre hinweg Kenntnis von der Entwicklung und Implementierung dieser Softwarefunktion.
In den Monaten nach Veröffentlichung einer Studie des International Council on Clean Transportation im Mai 2014 wurden die dieser Studie zugrunde liegenden Prüfanordnungen durch die Abteilung Aggregateentwicklung der Volkswagen AG plausibilisiert und die ungewöhnlich hohen NOx-Emissionen bei bestimmten US-Fahrzeugen mit 2.0 l Dieselmotoren des Typs EA 189 bestätigt. Dieses Ergebnis wurde dem California Air Resources Board (CARB) – einer Einheit der Umweltbehörde des US-Bundesstaates Kalifornien – mitgeteilt und gleichzeitig angeboten, im Rahmen einer ohnehin in den USA geplanten Servicemaßnahme eine Rekalibrierung der Motorsteuerungssoftware der Dieselmotoren des Typs EA 189 in den USA vorzunehmen. Diese Maßnahme wurde vom Ausschuss für Produktsicherheit (APS) bewertet und beschlossen. Der APS veranlasst erforderliche und zweckmäßige Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Konformität der in Verkehr gebrachten Produkte der Volkswagen AG. Es gibt keine Erkenntnisse, dass dem APS oder den für die Aufstellung des Jahres- und Konzernabschlusses 2014 verantwortlichen Personen ein nach US-amerikanischem Recht unzulässiges „Defeat Device“ als Ursache der Auffälligkeiten offengelegt wurde. Vielmehr war die Erwartung der für die Aufstellung des Jahres- und Konzernabschlusses 2014 verantwortlichen Personen zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahres- und Konzernabschlusses 2014, dass die Thematik mit vergleichsweise geringem Aufwand zu beheben sei.
Im Laufe des Sommers 2015 wurde für einzelne Mitglieder des Vorstands der Volkswagen AG sukzessive erkennbar, dass die Auffälligkeiten in den USA durch eine Veränderung von Teilen der Motorsteuerungssoftware verursacht wurden, welche später als nach US-amerikanischem Recht unzulässiges „Defeat Device“ identifiziert wurde. Dies mündete in der Offenlegung eines „Defeat Device“ gegenüber der EPA und der CARB am 3. September 2015. Die in der Folge zu erwartenden Kosten für den Volkswagen Konzern (Rückrufkosten, Nachrüstungskosten und Strafzahlungen) bewegten sich nach damaliger Einschätzung der verantwortlichen, mit der Sache befassten Personen nicht in einem grundlegend anderen Umfang als in früheren Fällen, in die andere Fahrzeughersteller involviert waren, und erschienen deshalb mit Blick auf die Geschäftstätigkeit des Volkswagen Konzerns insgesamt beherrschbar. Diese Beurteilung der Volkswagen AG fußte unter anderem auf der Beratung einer in den USA für Zulassungsfragen beauftragten Anwaltssozietät, wonach ähnlich gelagerte Fälle in der Vergangenheit mit den US-Behörden einvernehmlich gelöst werden konnten. Die am 18. September 2015 erfolgte Veröffentlichung der „Notice of Violation“ durch die EPA die für den Vorstand vor allem zu diesem Zeitpunkt unerwartet kam, ließ die Lage sodann völlig anders erscheinen.
Auch die seinerzeit amtierenden Vorstandsmitglieder der AUDI AG haben erklärt, dass sie bis zur „Notice of Violation“ durch die EPA im November 2015 keine Kenntnis von dem Einsatz einer nach US-amerikanischem Recht unzulässigen „Defeat Device Software“ in 3.0 l TDI-Motoren des Typs V6 hatten.
Innerhalb des Volkswagen Konzerns trägt die Volkswagen AG die Entwicklungsverantwortung für die Vierzylinder-Dieselmotoren, wie zum Beispiel Typ EA 189, und die AUDI AG trägt die Entwicklungsverantwortung für die Sechs- und Achtzylinder-Dieselmotoren, wie zum Beispiel Dieselmotoren der Typen V6 3.0 l und V8 4.2 l.
Der Volkswagen Konzern stellt weltweit für nahezu alle Dieselfahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189, in Abstimmung mit den jeweils zuständigen Behörden, technische Maßnahmen zur Verfügung. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat für sämtliche Cluster (Fahrzeuggruppen) innerhalb seiner Zuständigkeit festgestellt, dass mit der Umsetzung der technischen Maßnahmen keine nachteiligen Veränderungen hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs, der CO2-Emissionen, der Motorleistung, des maximalen Drehmoments und der Geräuschemissionen verbunden sind.
Anknüpfend an die Untersuchungen der AUDI AG von relevanten Dieselkonzepten auf etwaige Unregelmäßigkeiten und Nachrüstungspotenziale hat das KBA von der AUDI AG vorgeschlagene Maßnahmen in verschiedenen Rückrufbescheiden zu Fahrzeugmodellen mit V6 und V8 TDI-Motoren aufgegriffen und angeordnet. Die AUDI AG geht gegenwärtig von insgesamt überschaubaren Kosten für das seit Juli 2017 laufende überwiegend softwarebasierte Nachrüstprogramm inklusive des auf Rückrufen basierenden Umfangs aus und hat eine entsprechende bilanzielle Risikovorsorge gebildet. Seitens der AUDI AG wurden inzwischen für viele betroffene Aggregate Software-Updates entwickelt und nach erfolgter Freigabe durch das KBA bereits in einem Großteil der Fahrzeuge der betroffenen Kunden umgesetzt. Die noch ausstehenden Freigaben werden für 2020 erwartet.
Mögliche Auswirkungen auf die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage von Volkswagen können sich im Zusammenhang mit der Dieselthematik im Wesentlichen in den folgenden Rechtsgebieten ergeben:
1. Straf- und Verwaltungsverfahren weltweit (exklusive USA/Kanada)
In einigen Ländern sind strafrechtliche Ermittlungsverfahren/Ordnungswidrigkeitenverfahren und/oder Verwaltungsverfahren (so zum Beispiel durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Deutschland) eröffnet worden. Der Kernsachverhalt der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wird von den Staatsanwaltschaften in Braunschweig und München ermittelt.
Im April 2019 hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig unter anderem wegen des Vorwurfs des Betrugs im Zusammenhang mit der Dieselthematik betreffend Motoren des Typs EA 189 auch gegen einen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG Anklage erhoben.
Ferner hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig im September 2019 Anklage gegen den amtierenden und einen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden sowie ein ehemaliges Vorstandsmitglied (heutiger Aufsichtsratsvorsitzender) der Volkswagen AG wegen des Vorwurfs der Marktmanipulation im Hinblick auf kapitalmarktrechtliche Informationspflichten im Zusammenhang mit der Dieselthematik erhoben und die Nebenbeteiligung der Volkswagen AG im Verfahren beantragt.
Die Staatsanwaltschaft München II hat im Juli 2019 unter anderem wegen des Vorwurfs des Betrugs im Zusammenhang mit der Dieselthematik betreffend 3.0 TDI-Motoren auch gegen den vormaligen Vorstandsvorsitzenden der AUDI AG Anklage erhoben.
Aus diesen Anklageerhebungen ergibt sich nach vorliegender Kenntnislage zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Veränderung der Risikolage für den Volkswagen Konzern.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führt bezüglich der Dieselthematik strafrechtliche Ermittlungen auch gegen ein Vorstandsmitglied der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG wegen des Verdachts des Betrugs und der unzulässigen Werbung.
Die jeweiligen Konzerngesellschaften haben renommierte Großkanzleien mit der Aufklärung des Sachverhalts beauftragt, der den staatsanwaltschaftlichen Vorwürfen zugrunde liegt. Vorstand und Aufsichtsrat lassen sich regelmäßig über den aktuellen Stand berichten.
Durch Bußgeldbescheid vom 7. Mai 2019 hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart unter Feststellung einer fahrlässigen Aufsichtspflichtverletzung in der Organisationseinheit Prüffeld Entwicklung Gesamtfahrzeug/Qualität das gegen die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG im Zusammenhang mit der Dieselthematik geführte Ordnungswidrigkeitenverfahren beendet. Der Bußgeldbescheid sieht eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 535 Mio. € vor, die sich aus einer Ahndung in Höhe von 4 Mio. € sowie einer Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile von 531 Mio. € zusammensetzt. Die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG hat die Geldbuße nach eingehender Prüfung akzeptiert und diese vollständig bezahlt, womit der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden ist. Eine weitere Sanktionierung oder Einziehung gegen die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG ist daher in Europa im Zusammenhang mit dem einheitlichen Lebenssachverhalt, der dem Bußgeldbescheid zugrunde liegt, nicht mehr zu erwarten.
Das KBA als zuständige Typgenehmigungsbehörde untersucht zudem fortlaufend Fahrzeugmodelle der Marken Audi, VW und Porsche auf kritische Funktionen. Sofern das KBA bestimmte Funktionen als unzulässig betrachtet, werden die betroffenen Fahrzeuge im Wege einer angeordneten Maßnahme zurückgerufen oder deren Konformität in einer freiwilligen Serviceaktion wieder hergestellt.
Darüber hinaus laufen im Zusammenhang mit der Dieselthematik international weitere Verwaltungsverfahren.
Die Gesellschaften des Volkswagen Konzerns kooperieren weiterhin mit den staatlichen Behörden.
Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe aus Straf- und Verwaltungsverfahren am Ende Geldbußen oder sonstige Konsequenzen für das Unternehmen resultieren, unterliegt zum aktuellen Zeitpunkt Einschätzungsrisiken. In der Mehrheit der Verfahren schätzt Volkswagen die Wahrscheinlichkeit einer Sanktionierung mit nicht über 50 % ein. Für diese Fälle wurden Eventualverbindlichkeiten angegeben, soweit sie bewertbar sind und die Wahrscheinlichkeit einer Sanktionierung nicht niedriger als 10 % eingeschätzt wurde. In geringem Umfang waren Rückstellungen zu bilden.
2. Produktbezogene Klagen weltweit (exklusive USA/Kanada)
In betroffenen Märkten besteht grundsätzlich die Möglichkeit von zivilrechtlichen Klagen von Kunden oder die Geltendmachung von Regressansprüchen von Importeuren und Händlern gegen die Volkswagen AG und andere Gesellschaften des Volkswagen Konzerns. Dabei gibt es neben der Möglichkeit individueller Klagen in verschiedenen Jurisdiktionen auch unterschiedliche Instrumente an Sammelverfahren, das heißt der kollektiven oder stellvertretenden Geltendmachung von Individualansprüchen. Des Weiteren besteht in einigen Märkten die Möglichkeit, dass Verbraucher- und/oder Umweltverbände vermeintliche Unterlassungs-, Feststellungs- oder Schadensersatzansprüche geltend machen.
Sammelverfahren von Kunden sowie Klagen von Verbraucher- und/oder Umweltverbänden sind gegen die Volkswagen AG und andere Gesellschaften des Volkswagen Konzerns in verschiedenen Ländern wie beispielsweise Australien, Belgien, Brasilien, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Portugal, Südafrika und dem Vereinigten Königreich anhängig. Mit ihnen werden unter anderem behauptete Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Insbesondere sind die nachfolgenden Verfahren anhängig:
In Australien sind derzeit verschiedene Sammelklagen mit Opt-Out-Mechanismus gegen die Volkswagen AG und weitere Konzerngesellschaften, einschließlich der australischen Tochtergesellschaften, anhängig. Aufgrund des Opt-Out-Mechanismus sind potenziell alle Fahrzeuge des Motortyps EA 189 automatisch durch die Sammelklagen erfasst, es sei denn, es wird aktiv der Austritt aus der Sammelklage erklärt. Insgesamt sind circa 100 Tsd. Fahrzeuge des Motortyps EA 189 im australischen Markt betroffen. Im Dezember 2019 hat sich die Volkswagen AG mit den Sammelklägern auf eine vergleichsweise Beendigung der Verfahren geeinigt. Das Gericht muss dem Vergleich noch zustimmen. Die Volkswagen AG geht davon aus, dass die Vergleichssumme zur Beilegung der Sammelklagen – abhängig von der Anzahl der Anmeldungen zum Vergleich – bei bis zu 127,1 Mio. AUD zuzüglich Verfahrenskosten liegen wird. Zwei Zivilklagen der Australian Competition and Consumer Commission (ACCC) gegen die Volkswagen AG und weitere Konzerngesellschaften wurden im zweiten Halbjahr 2019 durch einen Vergleich beendet. Der Vergleich ist allerdings noch nicht rechtskräftig, da eine Berufungsentscheidung über die Bußgeldhöhe noch aussteht. Die Volkswagen AG geht davon aus, dass das Bußgeld - je nach Entscheidung des Berufungsgerichts – bei bis zu 125 Mio. AUD zuzüglich Verfahrenskosten liegen wird.
In Belgien hat die belgische Verbraucherorganisation Test Aankoop VZW eine Sammelklage erhoben, für welche der Opt-Out Mechanismus für anwendbar erklärt wurde. Die Sammelklage erfasst Fahrzeuge, die nach dem 1. September 2014 von Verbrauchern im belgischen Markt erworben wurden. Die geltend gemachten Ansprüche stützen sich auf die vermeintliche Verletzung von Wettbewerbs- und Verbraucherschutzrecht sowie auf vertragliche Pflichtverletzungen.
In Brasilien sind zwei Sammelklagen anhängig. Davon bezieht sich eine auf rund 17 Tsd. Fahrzeuge. In diesem Verfahren erging im Mai 2019 ein nur teilweise aufrechterhaltendes Berufungsurteil. Die Schadensersatzverpflichtung von Volkswagen do Brasil wurde in diesem Urteil deutlich auf zunächst rund 172 Mio. BRL nebst Zinsen reduziert. Dieser Betrag kann sich durch die ausgeurteilte Teuerungsrate und die individuelle Geltendmachung behaupteter Wertverluste betroffener Amarok-Fahrzeuge erhöhen. Das Urteil ist weiterhin nicht rechtskräftig. In der zweiten Sammelklage werden behauptete Ersatzansprüche aufgrund vermeintlicher Verstöße gegen umweltrechtliche Vorschriften geltend gemacht.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. hat im November 2018 eine Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht Braunschweig gegen die Volkswagen AG eingereicht. Ziel der Klage ist, bestimmte Voraussetzungen von etwaigen Ansprüchen von Verbrauchern gegen die Volkswagen AG festzustellen, jedoch resultieren aus etwaigen Feststellungen des Gerichts keine konkreten Zahlungsverpflichtungen. Individuelle Ansprüche müssten im Anschluss in separaten Folgeprozessen durchgesetzt werden. Im September 2019 hat die mündliche Verhandlung in der Musterfeststellungsklage begonnen. Die Volkswagen AG beabsichtigt Verbrauchern, die sich zur Musterfeststellungsklage angemeldet haben und die Vergleichskriterien erfüllen, Einzelvergleiche anzubieten. Das Vergleichsvolumen beträgt insgesamt 830 Mio. €.
Zudem wurden von der financialright GmbH verschiedene Klagen aus an sie abgetretenen Rechten von insgesamt rund 45 Tsd. Kunden aus Deutschland, Slowenien und der Schweiz gegen Gesellschaften des Volkswagen Konzerns vor mehreren deutschen Landgerichten erhoben.
In England und Wales haben verschiedene Kanzleien Klagen bei Gericht eingereicht, die zu einem Sammelverfahren (Group Litigation) verbunden wurden. Aufgrund des Opt-In-Mechanismus sind nicht alle Fahrzeuge des Motortyps EA 189 automatisch von der Group Litigation erfasst, sondern potenzielle Anspruchsteller müssen sich aktiv an der Group Litigation beteiligen. Derzeit haben etwa 90 Tsd. Kläger Ansprüche im Rahmen der Group Litigation angemeldet. Die Opt-in-Periode für die Group Litigation ist abgelaufen.
In Italien ist eine Sammelklage des Verbraucherverbands Altroconsumo stellvertretend für italienische Kunden vor dem Regionalgericht Venedig anhängig. In diesem Verfahren werden Schadensersatzansprüche wegen vermeintlicher Vertragsverletzung sowie Ansprüche wegen vermeintlichen Verstößen gegen italienisches Verbraucherschutzrecht geltend gemacht. Es haben sich rund 82 Tsd. Kunden für die Sammelklage angemeldet, wobei die Wirksamkeit rund der Hälfte der Anmeldungen noch unklar ist. Darüber hinaus wurde im Berichtsjahr in Italien die Entscheidung des Gerichts, die Sammelklage der Verbraucherorganisation Codacons als unzulässig abzuweisen, rechtskräftig.
In den Niederlanden ist eine auf Feststellung gerichtete Sammelklage der Stichting Volkswagen Car Claim mit Opt-Out-Mechanismus anhängig. Mögliche individuelle Ansprüche müssten im Anschluss in einem separaten Prozess durchgesetzt werden. Im November 2019 hat das Regionalgericht in Amsterdam einen Teil der Klageanträge für unzulässig erklärt. Zum Inhalt der Sammelklage wird im Jahr 2020 mündlich verhandelt.
In Portugal ist eine Sammelklage mit Opt-Out-Mechanismus durch eine portugiesische Verbraucherorganisation anhängig. Es sind potenziell bis zu circa 139 Tsd. Fahrzeuge im portugiesischen Markt betroffen. Klageziele sind die Rücknahme der Fahrzeuge sowie vermeintliche Schadensersatzansprüche.
In Südafrika ist eine auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Sammelklage mit Opt-Out-Mechanismus anhängig, die nicht nur rund 72 Tsd. Fahrzeuge des Motortyps EA 189 umfasst, sondern auch circa 8 Tsd. Fahrzeuge mit V6 und V8 TDI-Motoren.
Darüber hinaus sind Einzelklagen und ähnliche Verfahren gegen die Volkswagen AG und andere Gesellschaften des Volkswagen Konzerns in zahlreichen Ländern anhängig, die meist auf Schadensersatz oder Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtet sind. In Deutschland sind dies über 70 Tsd. Verfahren.
In der weit überwiegenden Zahl der Sammelverfahren von Kunden und Klagen von Verbraucher- und/oder Umweltverbänden und der Einzelklageverfahren wird die Erfolgswahrscheinlichkeit der Kläger von Volkswagen auf nicht über 50 % eingeschätzt. Für diese Verfahren werden Eventualverbindlichkeiten angegeben, soweit sie bewertbar und die Erfolgsaussichten nicht als unwahrscheinlich einzuschätzen sind. Aufgrund des frühen Stadiums der meisten dieser Verfahren lässt sich ein realistisches Belastungsrisiko in vielen Fällen noch nicht beziffern. Darüber hinaus wurden, basierend auf der aktuellen Bewertung, soweit erforderlich Rückstellungen gebildet.
In welcher Größenordnung und mit welchen Erfolgsaussichten Kunden zukünftig über die bestehenden Klagen hinaus von der Möglichkeit einer Klageerhebung auch vor dem Hintergrund der Musterfeststellungsklage in Deutschland Gebrauch machen, kann derzeit nicht eingeschätzt werden.
3. Anlegerklagen weltweit (exklusive USA/Kanada)
Anleger aus Deutschland und dem Ausland haben gegen die Volkswagen AG, teilweise zusammen mit der Porsche Automobil Holding SE (Porsche SE) als Gesamtschuldner, Schadensersatzklagen wegen behaupteter Kursverluste in Folge angeblichen Fehlverhaltens bei der Kapitalmarktkommunikation im Zusammenhang mit der Dieselthematik erhoben.
Die überwiegende Mehrheit dieser Anlegerklagen ist derzeit beim Landgericht Braunschweig anhängig. Im August 2016 beschloss das Landgericht Braunschweig die Vorlage von gemeinsamen Sachverhalts- und Rechtsfragen mit Relevanz für die am Landgericht Braunschweig anhängigen Anlegerklagen an das Oberlandesgericht Braunschweig zum Erlass von Musterentscheiden nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG). Auf diese Weise soll in einem Verfahren eine für diese Klagen bindende Entscheidung hinsichtlich aller gemeinsamen Sachverhalts- und Rechtsfragen durch das Oberlandesgericht Braunschweig getroffen werden (Musterverfahren). Alle beim Landgericht Braunschweig erhobenen Klagen werden bis zur Entscheidung über die vorgelegten Fragen ausgesetzt, sofern sie nicht aus Gründen abgewiesen werden können, die unabhängig von den in dem Musterverfahren zu entscheidenden Fragen sind. Die Entscheidung über die gemeinsamen Sachverhalts- und Rechtsfragen in dem Musterverfahren ist für alle anhängigen Klagen verbindlich, die entsprechend ausgesetzt wurden. Die mündliche Verhandlung im Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig hat im September 2018 begonnen und wird in weiteren Terminen fortgesetzt.
Am Landgericht Stuttgart sind weitere Anlegerklagen gegen die Volkswagen AG, teilweise zusammen mit der Porsche SE als Gesamtschuldner, erhoben worden.
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat im März 2019 die Durchführung weiterer ihm vom Landgericht Stuttgart vorgelegter Kapitalanleger-Musterverfahren (auch gegen die Porsche SE) mit der Begründung abgelehnt, dass der gegenständliche Lebenssachverhalt im Wesentlichen bereits von dem insoweit vorrangigen Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig umfasst sei, welches gegenüber weiteren Musterverfahren eine Sperrwirkung entfalte. Gegen eine dieser Entscheidungen hat die Klägerseite Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erhoben.
Weitere Anlegerklagen sind bei verschiedenen Gerichten in Deutschland und den Niederlanden eingereicht worden. Insgesamt sind gegen die Volkswagen AG im Zusammenhang mit der Dieselthematik weltweit (exklusive USA/Kanada) derzeit Anlegerklagen, gerichtliche Mahn- und Güteanträge sowie Anspruchsanmeldungen nach dem KapMuG mit geltend gemachten Ansprüchen in Höhe von circa 9,6 Mrd. € rechtshängig.
Die Volkswagen AG ist unverändert der Auffassung, ihre kapitalmarktrechtlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt zu haben, so dass für diese Anlegerklagen keine Rückstellungen gebildet wurden. Soweit die Erfolgsaussichten nicht niedriger als 10 % eingeschätzt wurden, wurden Eventualverbindlichkeiten angegeben.
4. Verfahren in den USA/Kanada
In den USA und Kanada sind die in den „Notices of Violation“ der EPA beschriebenen Vorgänge Gegenstand von Klagen und Auskunftsersuchen verschiedener Art, die insbesondere von Kunden, Investoren, Vertriebsmitarbeitern sowie verschiedenen Behörden in Kanada und den USA, wie die Attorneys General einzelner US-Bundesstaaten, gegen die Volkswagen AG und weitere Gesellschaften des Volkswagen Konzerns gerichtet sind.
Im Geschäftsjahr haben die Volkswagen AG und bestimmte verbundene Unternehmen einen Vergleich zur Beilegung der durch den Attorney General des US-Bundesstaates New Mexico geltend gemachten verbraucherschutzrechtlichen Forderungen erzielt. New Mexico war der letzte verbleibende Bundesstaat, der verbraucherschutzrechtliche Forderungen geltend gemacht hat.
Vor einzel- und bundesstaatlichen Gerichten führen die Attorneys General von fünf US-Bundesstaaten (Illinois, Montana, New Hampshire, Ohio und Texas) sowie einige Kommunen Klagen gegen die Volkswagen AG, Volkswagen Group of America, Inc. und bestimmte verbundene Unternehmen wegen angeblicher Verletzungen des Umweltrechts. Im Geschäftsjahr wurden die umweltrechtlichen Klagen von zwei US-Bundesstaaten – Alabama und Tennessee – wegen Vorrangigkeit des Bundesrechts von Prozess- oder Berufungsgerichten vollumfänglich abgewiesen; die Klageabweisungen sind rechtskräftig. Der Attorney General des US-Bundesstaates New Mexico hat seine umweltrechtliche Klage freiwillig zurückgenommen. Die vom US-Bundesstaat Illinois, Hillsborough County (Florida) sowie Salt Lake County (Utah) geltend gemachten Forderungen sind vollumfänglich abgewiesen worden, wogegen jedoch Rechtsmittel eingelegt wurde. Bestimmte Forderungen, die die US-Bundesstaaten Ohio und Texas sowie zwei Landkreise in Texas geltend gemacht haben, wurden ebenfalls abgewiesen; hinsichtlich der verbleibenden Forderungen werden die gerichtlichen Verfahren fortgesetzt.
Im März 2019 hat die US-Börsenaufsicht (Securities and Exchange Commission) gegen die Volkswagen AG, die Volkswagen Group of America Finance, LLC, die VW Credit, Inc. sowie einen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG eine Klage eingereicht, in der Ansprüche nach US-Bundeswertpapierrecht unter anderem aufgrund vermeintlich unrichtiger und unvollständiger Angaben im Zusammenhang mit dem Angebot und Verkauf bestimmter Anleihen und Asset Backed Securities geltend gemacht werden.
Des Weiteren hat die kanadische Bundesumweltbehörde – nach Abschluss ihrer Untersuchung in Bezug auf strafrechtliche Maßnahmen hinsichtlich der Dieselthematik – im Dezember 2019 Anklage gegen die Volkswagen AG wegen 2.0 l und 3.0 l Dieselfahrzeugen der Marken Volkswagen und Audi erhoben. Die Volkswagen AG hat bei der Untersuchung mitgewirkt und zur Beilegung sämtlicher Vorwürfe einem Vergleich (Plea Resolution) zugestimmt. Im Januar 2020 hat sich die Volkswagen AG im Sinne der Anklage schuldig bekannt und zur Zahlung einer Strafe in Höhe von 196,5 Mio. CAD verpflichtet, die das Gericht auch genehmigt hat. Infolge dieser Genehmigung hat die Umweltbehörde der Provinz Ontario ihre Klage auf Verhängung quasi-strafrechtlicher Sanktionen gegen die Volkswagen AG hinsichtlich bestimmter 2.0 l Dieselfahrzeuge der Marken Volkswagen und Audi zurückgezogen. Darüber hinaus ist in Quebec eine umweltrechtliche Sammelklage im Namen der Einwohner von Quebec anhängig. Die Klage wurde allein im Hinblick auf die Frage zugelassen, ob ein Anspruch auf Strafschadensersatz bestehe. Die von Volkswagen eingelegten Rechtsmittel wurden zurückgewiesen. Das Verfahren befindet sich weiterhin in einem frühen Stadium.
Soweit ein Sachverhalt vorstehend nicht gesondert beschrieben wird, ist eine Bewertung im derzeitigen Verfahrensstand noch nicht möglich beziehungsweise wird gemäß IAS 37.92 nicht dargestellt, um die Ergebnisse der Verfahren und die Interessen des Unternehmens nicht zu beeinträchtigen.
5. Weitere Verfahren
Mit Beschluss vom 8. November 2017 hat das Oberlandesgericht Celle auf Antrag dreier US-Fonds die Einsetzung eines Sonderprüfers bei der Volkswagen AG angeordnet. Der Sonderprüfer soll prüfen, ob die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Volkswagen AG im Zusammenhang mit der Dieselthematik seit dem 22. Juni 2006 ihre Pflichten verletzt haben und der Volkswagen AG hieraus ein Schaden entstanden ist. Diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle ist formal rechtskräftig. Die Volkswagen AG hat gegen diese Entscheidung jedoch wegen der Verletzung ihrer verfassungsmäßig garantierten Rechte Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben. Es ist derzeit nicht absehbar, wann das Bundesverfassungsgericht hierüber entscheiden wird. Der vom Oberlandesgericht Celle eingesetzte Sonderprüfer hat nach der formal rechtskräftigen Entscheidung des Oberlandesgerichts mitgeteilt, dass er aus Altersgründen für die Durchführung der Sonderprüfung nicht zur Verfügung stehe. Im Juni 2019 hat das Landgericht Hannover den daraufhin gestellten Antrag der US-Fonds auf Austausch des Sonderprüfers zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Gegenseite Beschwerde zum Oberlandesgericht Celle erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Daneben wurde beim Landgericht Hannover ein zweiter Antrag auf Einsetzung eines Sonderprüfers bei der Volkswagen AG gestellt, der ebenfalls auf die Prüfung von Vorgängen im Zusammenhang mit der Dieselthematik gerichtet ist. Dieses Verfahren ruht bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im ersten Sonderprüfungsverfahren.
6. Bewertung der Risiken aus der Dieselthematik
Zur Absicherung der derzeit bekannten Rechtsrisiken im Zusammenhang mit der Dieselthematik enthalten die Rückstellungen für Prozess- und Rechtsrisiken zum 31. Dezember 2019 auf Basis des gegenwärtigen Kenntnisstands und aktueller Einschätzungen einen Betrag von rund 2,9 Mrd. € (Vorjahr: 2,4 Mrd. €). Soweit bereits hinreichend bewertbar, wurden im Zusammenhang mit der Dieselthematik insgesamt Eventualverbindlichkeiten in Höhe von 3,7 Mrd. € (Vorjahr: 5,4 Mrd. €) im Anhang angegeben, auf die Anlegerverfahren in Deutschland entfallen davon rund 3,4 Mrd. € (Vorjahr: 3,4 Mrd. €). Aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Sachverhaltsaufklärung sowie der Vielschichtigkeit der einzelnen Einflussfaktoren und der noch andauernden Abstimmungen mit den Behörden, unterliegen die im Zusammenhang mit der Dieselthematik gebildeten Rückstellungen sowie die angegebenen Eventualverbindlichkeiten und die weiteren latenten Rechtsrisiken zum Teil erheblichen Einschätzungsrisiken. Sollten sich diese Rechts- beziehungsweise Einschätzungsrisiken verwirklichen, kann dies zu weiteren erheblichen finanziellen Belastungen führen. Insbesondere lässt sich nicht ausschließen, dass aufgrund von zukünftigen Erkenntnissen oder Ereignissen die gebildeten Rückstellungen möglicherweise angepasst werden müssen.
Es liegen dem Vorstand der Volkswagen AG basierend auf den vorhandenen und gewonnenen Informationen nach wie vor keine belastbaren Erkenntnisse oder Einschätzungen hinsichtlich der beschriebenen Sachverhalte vor, die zu einer anderen Bewertung der damit verbundenen Risiken führen würden.
Weitergehende Angaben zu den Schätzungen hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen sowie Angaben zu Unsicherheiten hinsichtlich der Höhe oder der Fälligkeit von Beträgen der Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Dieselthematik werden gemäß IAS 37.92 nicht gemacht, um die Ergebnisse der Verfahren und die Interessen des Unternehmens nicht zu beeinträchtigen.
Weitere wesentliche Rechtsstreitigkeiten
Die ARFB Anlegerschutz UG (haftungsbeschränkt) hat im Jahr 2011 eine Schadensersatzklage gegen die Volkswagen AG und die Porsche SE wegen vermeintlicher Verstöße gegen kapitalmarktrechtliche Publizitätsvorschriften im Zusammenhang mit dem Erwerb von Stammaktien der Volkswagen AG durch die Porsche SE im Jahr 2008 erhoben. Eingeklagt waren zuletzt, aus angeblich abgetretenem Recht, circa 2,26 Mrd. € nebst Zinsen. Im April 2016 hatte das Landgericht Hannover eine Vielzahl von Feststellungszielen formuliert, über die der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle in einem Musterverfahren nach dem Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz entscheiden wird. Der Senat hat bereits in der ersten mündlichen Verhandlung im Oktober 2017 erkennen lassen, dass er Ansprüche gegen die Volkswagen AG sowohl mangels substantiierten Vortrags als auch aus Rechtsgründen derzeit als nicht begründet ansieht. Die Volkswagen AG sieht sich durch die Ausführungen des Senats in der Einschätzung bestätigt, dass die geltend gemachten Ansprüche jeglicher Grundlage entbehren.
Aus demselben Sachverhalt hatten seinerzeit (2010/2011) auch andere Investoren Ansprüche von insgesamt circa 4,6 Mrd. € unter anderem gegen die Volkswagen AG behauptet und Güteverfahren eingeleitet. Die Volkswagen AG hat den Beitritt zu den Güteverfahren stets abgelehnt; diese Ansprüche wurden seitdem nicht weiter verfolgt.
In Brasilien leitete die brasilianische Finanzverwaltung ein Steuerverfahren gegen MAN Latin America ein, in dem es um die Bewertung steuerlicher Auswirkungen der in 2009 gewählten Erwerbsstruktur für MAN Latin America geht. Im Dezember 2017 ist im sogenannten Administrative Court Verfahren ein zweitinstanzliches, für MAN Latin America negatives Urteil ergangen. Gegen dieses Urteil hat MAN Latin America vor dem regulären Gericht in 2018 Klage erhoben. Die betragsmäßige Abschätzung des Risikos für den Fall, dass sich die Finanzverwaltung insgesamt mit ihrer Auffassung durchsetzen könnte, ist aufgrund der Verschiedenheit der gegebenenfalls nach brasilianischem Recht zur Anwendung kommenden Strafzuschläge nebst Zinsen mit Unsicherheit behaftet. Es wird jedoch weiterhin mit einem für MAN Latin America positiven Ausgang gerechnet. Für den gegenteiligen Fall könnte sich ein Risiko von rund 0,7 Mrd. € für den streitgegenständlichen Gesamtzeitraum ab 2009 ergeben, das im Anhang innerhalb der Eventualverbindlichkeiten angegeben wurde.
Die Europäische Kommission führte im Jahr 2011 Durchsuchungen bei europäischen Lkw-Herstellern wegen des Verdachts eines unzulässigen Informationsaustauschs im Zeitraum zwischen 1997 und 2011 durch und übermittelte im November 2014 in diesem Zusammenhang MAN, Scania und den übrigen betroffenen Lkw-Herstellern die sogenannten Beschwerdepunkte. Mit ihrer Vergleichsentscheidung im Juli 2016 verhängte die Europäische Kommission gegen fünf europäische Lkw-Hersteller Geldbußen. Da MAN die Europäische Kommission als Kronzeuge über die Unregelmäßigkeiten informiert hatte, wurde MAN die Geldbuße vollständig erlassen.
Im September 2017 verhängte die Europäische Kommission gegen Scania eine Geldbuße von 0,88 Mrd. €. Scania hat dagegen Rechtsmittel zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eingelegt und wird sich umfassend verteidigen. Scania bildete bereits im Jahr 2016 eine Rückstellung in Höhe von 0,4 Mrd. €. Darüber hinaus sind Kartellschadensersatzklagen von Kunden eingegangen. Wie in jedem Kartellverfahren können weitere Schadensersatzklagen folgen. Es wurden weder Rückstellungen noch Eventualverbindlichkeiten angegeben, da eine Bewertung der Verfahren aufgrund des frühen Stadiums derzeit noch nicht möglich ist.
Im April 2019 hat die Europäische Kommission im Rahmen der kartellrechtlichen Untersuchungen in der Automobilindustrie der Volkswagen AG sowie der AUDI AG und der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG die Beschwerdepunkte übermittelt. Mit diesen informiert die Europäische Kommission über ihre vorläufige Bewertung des Sachverhalts und gibt Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Gegenstand des Verfahrens beschränkt sich auf die Kooperation deutscher Automobilhersteller zu technischen Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung und Einführung von SCR-Systemen und Ottopartikelfiltern für Pkw, die im Europäischen Wirtschaftsraum verkauft worden sind. Andere Verhaltensweisen wie Preisabsprachen oder die Aufteilung von Märkten und Kunden werden den Herstellern nicht vorgeworfen. Volkswagen hat ab Juli 2019 Einsicht in die Untersuchungsakte erhalten und im Dezember 2019 auf die Beschwerdepunkte der Europäischen Kommission erwidert. Zudem hat die chinesische Wettbewerbsbehörde in dieser Angelegenheit Auskunftsersuchen an die Volkswagen AG sowie die AUDI AG und die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG gerichtet und ein Verfahren eingeleitet.
Im Verfahren wegen möglicher wettbewerbswidriger Absprachen (vermeintlicher Austausch von wettbewerblich sensitiven Informationen) gegen mehrere herstellereigene Automobilfinanzierungsgesellschaften hat die italienische Wettbewerbsbehörde im Januar 2019 eine Geldbuße in Höhe von 163 Mio. € gegen die Volkswagen AG und die Volkswagen Bank GmbH verhängt. Es wurden bei der Volkswagen Bank GmbH Rückstellungen gebildet. Die Volkswagen AG und die Volkswagen Bank GmbH haben im März 2019 gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang eine kartellrechtliche Sammelklage von Kunden in Italien unter anderem gegen die Volkswagen Bank GmbH eingegangen.
Im Juni 2019 hat der US District Court des Northern District von Kalifornien zwei vermeintliche Sammelklagen abgewiesen, in denen Käufer deutscher Luxusfahrzeuge behauptet hatten, dass mehrere Automobilhersteller, unter anderem die Volkswagen AG und weitere Konzerngesellschaften, sich seit den 1990er Jahren zwecks unrechtmäßiger Erhöhung der Preise deutscher Luxusfahrzeuge abgestimmt und damit gegen US-amerikanische Kartell- und Verbraucherschutzgesetze verstoßen hätten. Nach Auffassung des Gerichts waren die Klagen unschlüssig, weil dem klägerischen Vortrag keine plausible Begründung der behaupteten wettbewerbswidrigen Absprachen zu entnehmen war. Die Kläger reichten überarbeitete Klageschriften ein, Volkswagen hat deren Abweisung beantragt. Mit ähnlicher Begründung reichten Kläger in Kanada im Namen mutmaßlicher Käuferklassen deutscher Luxusfahrzeuge Klagen gegen mehrere Automobilhersteller einschließlich der Volkswagen Group Canada Inc., Audi Canada Inc. und weiterer Unternehmen des Volkswagen Konzerns ein. Es wurden weder Rückstellungen noch Eventualverbindlichkeiten angegeben, da eine Bewertung der Verfahren aufgrund des frühen Stadiums derzeit noch nicht möglich ist.
Darüber hinaus haben wenige nationale und internationale Behörden kartellrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Volkswagen arbeitet mit den zuständigen Behörden in diesen Untersuchungen eng zusammen; eine Bewertung der zugrunde liegenden Sachverhalte ist aufgrund des frühen Stadiums noch nicht möglich.
Volkswagen hat Auskunftsersuchen der US-Umweltschutzbehörde (EPA) und des CARB betreffend Automatikgetriebe in bestimmten Fahrzeugen mit Benzinmotor beantwortet. Im Zuge dieser Untersuchung durch die EPA hat sich Volkswagen im August 2019 gegenüber der EPA mit dem Verlust von rund 220 Tsd. sogenannten Greenhouse Gas Emission Credits einverstanden erklärt. Ebenfalls im August 2019 haben Volkswagen und das sogenannte Steuerungskomitee der Kläger (Plaintiffs’ Steering Committee) eine Vereinbarung zur Beilegung zivilrechtlicher Forderungen betreffend rund 98 Tsd. Fahrzeuge der Marken Volkswagen, Audi, Porsche und Bentley bekanntgegeben. Für diese Fahrzeuge führten Prüfungen von Volkswagen im Zusammenhang mit den Auskunftsersuchen – gemäß den Rundungsregelungen der EPA – zu Abweichungen des Kraftstoffverbrauchs von 1 Meile pro Gallone von den im „Monroney Label“ nach US-amerikanischem Recht anzugebenden Werten. Im Oktober 2019 hat das Gericht der Vergleichsvereinbarung seine vorläufige Genehmigung erteilt.
Für mögliche Ansprüche im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen gegenüber Verbrauchern waren im Bereich der Volkswagen Bank GmbH sowie der Volkswagen Leasing GmbH Rückstellungen zu bilden.
Im Februar 2020 wurde der Volkswagen AG, neben einem weiteren Beklagten, eine Klage der GT Gettaxi Ltd. zugestellt. In der Klage werden insbesondere vermeintliche, hohe Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Volkswagen wird die behaupteten Ansprüche bewerten und sich gegen diese verteidigen.
Darüber hinaus sind weltweit, insbesondere in den USA verschiedene Verfahren anhängig, in denen Kunden vermeintliche Ansprüche einzeln oder im Wege von Sammelklagen geltend machen. Diese Ansprüche werden regelmäßig mit behaupteten Mängeln an Fahrzeugen – einschließlich der dem Volkswagen Konzern zugelieferten Fahrzeugteile (beispielsweise im Fall Takata) – begründet.
Risiken können sich auch aus Verfahren ergeben, in denen die Verletzung geistiger Eigentumsrechte einschließlich Patente, Warenzeichen oder anderer Drittrechte vor allem in Deutschland und den USA geltend gemacht werden. Diese Verfahren haben zum Beispiel Patente im Bereich der Halbleitertechnologie in Fahrzeugen zum Gegenstand, können sich aber auch auf Steuerungs-, Regelungs- und Antriebstechnik sowie Kommunikationstechnologie erweitern. Sollte der Vorwurf erhoben oder die Feststellung getroffen werden, Volkswagen habe geistige Eigentumsrechte Dritter verletzt, könnte Volkswagen zur Leistung von Schadensersatz, Änderung von Fertigungsverfahren, Umgestaltung von Produkten oder Unterlassung des Vertriebs bestimmter Produkte verpflichtet werden. Volkswagen könnte auch in kostspielige rechtliche Auseinandersetzungen verwickelt werden. Aus diesen Risiken könnten sich Liefer- und Produktionsbeschränkungen oder -unterbrechungen ergeben.
Weitergehende Angaben zu den Schätzungen hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen sowie Angaben zu Unsicherheiten hinsichtlich der Höhe oder der Fälligkeit von Beträgen der Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten im Zusammenhang mit den weiteren wesentlichen Rechtsstreitigkeiten werden gemäß IAS 37.92 nicht gemacht, um die Ergebnisse der Verfahren und die Interessen des Unternehmens nicht zu beeinträchtigen.